07.12.2021
Lesezeit: 7 min

Verantwortungseigentum als Nachfolge-Lösung für den Mittelstand

Einführung

Das Leben in die Firma gesteckt, über Jahrzehnte ein gut funktionierendes Unternehmen aufgebaut, das Geschäft floriert, nun naht der wohlverdiente Ruhestand – und dann will die Tochter lieber Journalistin werden, der Sohn studiert Kunst, und der gerade installierten Geschäftsführerin, einer Führungskraft, die sich über Jahre bewährt hat, fehlen die finanziellen Mittel, das Unternehmen als neue Inhaberin zu übernehmen. „Was nun?“, fragen sich viele Unternehmerinnen und Unternehmer. Die Firma tatsächlich verkaufen? Das Lebenswerk? Das über Generationen etablierte Familienunternehmen? Oder zerschlagen, wenn sich kein Käufer findet? Und falls doch: wie sicherstellen, dass die neuen Eigentümer kein Schindluder treiben? Und warum haben Sie das Problem nicht früher erkannt?

Eines vorneweg: Es kann nie schaden, sich mit dem Thema Nachfolge früh genug auseinanderzusetzen. Dabei gibt es zu den gängigen Schemata Vererbung, Verkauf, Auflösung eine vielversprechende Alternative: Verantwortungseigentum. Das braucht dann zwar auch alternative Finanzierungsformen, doch dazu später mehr. Sehen wir uns zunächst an, worum es geht.

  • Langfristiges und werteorientiertes Unternehmertum
  • Nachfolge-Lücke im deutschen Mittelstand
  • Verantwortungseigentum als Nachfolge-Option
  • Finanzierung bei einer Transformation
  • Purpose Evergreen Capital hilft mit warteorientierten Investments

Es geht um langfristiges und werteorientiertes Unternehmertum

„Für die Leute, die unsere Produkte verwenden, ist es wichtig zu wissen, dass es weitergeht, auch wenn ich mal nicht mehr da bin“, sagt Gerhard Behles, 52, Co-Gründer und Geschäftsführer des Mittelständlers Ableton, der eine Musiksoftware herstellt und in seiner Branche zu den Weltmarktführern gehört. Mitarbeiterinnen wie Kunden, so Behles, „wollen wissen: Die Sache bleibt und ist für die Dauer gemacht, und wird nicht irgendwann mal einfach verkauft an irgendwen, den es vielleicht gar nicht so interessiert. Das ist kein Spekulationsgut, sondern es ist eher so wie ein Familienunternehmen, eine Sache für die Dauer.“ Dieses Unternehmensverständnis leben tausende Familienunternehmen in Deutschland qua Tradition. Doch kommt es zum großen Thema Nachfolge, steht möglicherweise die Zukunft des Unternehmens zur Disposition.

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Wenn die Zeit plötzlich drängt

„Die Unternehmensnachfolge ist die kritischste Situation in der Unternehmensgeschichte“, weiß daher Rainer Krumm, Unternehmer und Experte in Sachen Nachfolge. „Hier werden oft ganze Dynastien und Weltmarktführer vernichtet, weil es an emotionalen Themen oder Beziehungsgeflechten scheitert.“ Nicht selten spielen Erbstreitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten über den künftigen Kurs eine ernstzunehmende Rolle. „Das Problem ist das Buddenbrook-Syndrom, dass die dritte Generation in der Regel das verscherbelt, was die Großväter-Generation erarbeitet hat“, meint dazu Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft. Hinzu kommen weitere Risiken wie etwa unerwartete Krankheits- oder gar Todesfälle, die das Unternehmen urplötzlich in Existenznot bringen können. All das wird gern verdrängt, viele schieben das unliebsame Thema auf die lange Bank. Dabei rät Rainer Krumm dazu, sich erste Überlegungen zu machen „etwa 10 Jahre, bevor die Übergabe stattfindet“.

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Nachfolge-Lücke im deutschen Mittelstand

In der Praxis kann von langfristiger Planung oft keine Rede sein: Im Nachfolge-Monitoring der KfW-Bank ist erstmals bei mehr als der Hälfte aller KMU unklar, ob und wann das Unternehmen an eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger übergeben werden soll. Und selbst wenn man sich damit auseinandersetzt (und das machen jährlich etwa 76.000 Unternehmerinnen und Unternehmer), schwinden die Optionen: Nur noch 44 Prozent der Familienunternehmen, die sich mit der Nachfolgefrage befassen, erwägen eine Weitergabe innerhalb der Familie. Dagegen wächst der Anteil derer, die an Verkauf denken, auf erstmals mehr als 50 Prozent (Quelle: KfW). Dabei will die große Mehrheit gar nicht verkaufen: In einer repräsentativen Allensbach-Studie aus diesem Jahr finden nur 10 Prozent der Befragten diese Option ideal. Dagegen würde jeder Dritte das Eigentum gern an eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter übergeben. Doch die müssten sich ins Unternehmen einkaufen, und das ist teuer, bringt oft eine hohe Verschuldung mit sich, und die Refinanzierung des Kaufpreises belastet das Unternehmen in der Zukunft. So bleibt dann doch oft nur der Verkauf an Private-Equity-Investoren. Damit kommt das Risiko ins Spiel, dass das Unternehmen am Ende zum Spekulationsobjekt, zerlegt und weiterverkauft wird, was dann auch zulasten der Mitarbeiter und übrigen Stakeholder wie zum Beispiel Kundinnen, Lieferanten, Geschäftspartnerinnen geht. Von anderen langfristig damit im Zusammenhang stehenden volkswirtschaftlichen Problemen wie Monopolbildung, Zentralisierungstendenzen und Arbeitsplatzverlusten ganz zu schweigen.

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Verantwortungseigentum als Nachfolge-Option

Dabei gibt es bereits eine echte Alternative: Verantwortungseigentum. Eine Form von Unternehmenseigentum, die Abhilfe verspricht für das skizzierte Nachfolge-Dilemma. Denn im Falle von Verantwortungseigentum wird das Unternehmen nicht mehr automatisch genetisch vererbt, sondern kann an Personen mit übereinstimmenden Werten und passenden Fähigkeiten treuhändisch weitergegeben werden, zum Beispiel an die Mitarbeiterin, die sich über Jahre bewährt hat, oder andere Vertraute, denen das Unternehmen am Herzen liegt. Und all das ohne hohen Kaufpreis. Denn das Vermögen und die Gewinne des Unternehmens verbleiben dabei stets im Unternehmen selbst. Also kann darum auch gar nicht mehr gestritten werden. Nicht das Vermögen des Unternehmens, sondern die mit dem Eigentum einhergehende Verantwortung für das Unternehmen und seine Stakeholder steht im Mittelpunkt. Und damit vor allem der Unternehmenszweck, seine Aufgabe, sein Purpose. Gewinne sind hier nicht mehr Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck.

Ein solches Unternehmensverständnis wird bereits vielfach umsetzt, und unter den so aufgestellten Unternehmen sind große Namen: Bosch, Zeiss, Alnatura, Globus. Unabhängig von der rechtlichen Realisierung sind die Prinzipien bei allen ungefähr gleich: Die Nachfolger übernehmen das Eigentum beziehungsweise die Kontrollrechte unentgeltlich oder zum Nennbetrag, müssen sich also nicht verschulden. Die Anteile lassen sich aber auch nicht versilbern, sie werden später jeweils zu gleichen Konditionen weitergegeben. Verantwortungseigentümerinnen sind also Treuhänderinnen. Und das Vermögen kann so langfristig der Unternehmensentwicklung dienen. Der Ökonom Hüther begrüßt das: „Man will in einer besonderen Weise nachhaltig wirtschaften, man will das im Unternehmen vorhandene Vermögen sichern und über diese Sicherung in die Zukunft tragen. Also das, was typischerweise jeder kennt aus der Familie: Man versucht in der Familie Dinge weiterzugeben und daraus eine erfolgreiche Geschichte zu machen.“

Es braucht eine neue Rechtsform

Der Unterschied: Dieses Verständnis ist nicht mehr nur auf Basis von Traditionen im Unternehmen verankert, um dann möglicherweise bei oder nach der Übergabe über Bord zu gehen, sondern es wird institutionalisiert. Die beiden Kernprinzipien – a) die langfristige Selbstbestimmung durch treuhändische Weitergabe und b) die Vermögensbindung – werden bei Verantwortungseigentum rechtlich verbindlich in der DNA des Unternehmens verankert. Die Mehrfach-Gründerin Verena Pausder kommt selbst aus einer Unternehmerfamilie und weiß das zu schätzen: „Es geht darum, die traditionellen Werte von Familienunternehmen – Langfristigkeit, Beständigkeit – abzusichern, auch unabhängig von der Familie. Das bietet dem Mittelstand einfach eine weitere sehr gute Option für die Regelung der Nachfolge.“

Der Wermutstropfen: Für kleine und mittlere Unternehmen ist es schwer, Verantwortungseigentum umzusetzen. Stiftungskonstrukte, die bislang herangezogen werden, sind kompliziert, zeitaufwändig und teuer. Trotzdem will aber auch der Musiksoftware-Produzent Ableton auf die Stiftungsoption zurückgreifen, um Verantwortungseigentum umzusetzen – in Ermangelung an Alternativen. Behles und sein Co-Gründer Jan Bohl arbeiten seit mehreren Jahren an dieser Herausforderung und mussten bereits sehr große Summen dafür aufbringen. Daher fordern sie mit mittlerweile mehr als 1.200 weiteren Unternehmerinnen und insgesamt 2.000 Unterstützern eine einfache Lösung: eine neue Rechtsform für Verantwortungseigentum. Auch Pausder und Hüther sowie prominente Unternehmerpersönlichkeiten wie Michael Otto oder Ise Bosch haben die Forderung unterschrieben. 72 Prozent der deutschen Familienunternehmen befürworten eine neue Rechtsform (siehe Grafik) – die politische Debatte dazu ist in vollem Gange.

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Finanzierung bei einer Transformation

Neben der rechtlichen Ausgestaltung spielt die Finanzierung eine entscheidende Rolle. Alternative Eigentumsformen brauchen alternative Finanzierungsmodelle. Denn klar ist: Klassische Investments, die mit dem Erwerb von Stimmanteilen einhergehen, widersprechen den Prinzipien von Verantwortungseigentum, da das Unternehmen langfristig selbstbestimmt bleiben soll. Die alte Gleichung Geld = Macht gilt hier nicht, die Kontrolle bleibt immer im Unternehmen.

Wer nun aus Nachfolge-Gründen darüber nachdenkt, sein Unternehmen in Verantwortungseigentum zu übergeben, braucht häufig neues Eigenkapital. Denn alte Investoren müssen herausgekauft werden, damit das Unternehmen wirklich „sich selbst gehören“ kann. Damit wiederum einher gehen Fragen nach einer angemessenen Kompensation auch für Gründerinnen und Inhaber, die nicht nur Verantwortung übernommen haben, sondern auch Geld und – häufig unbezahlte – Zeit in den Aufbau der Firma investiert haben. Klassische Private-Equity-Fonds stellen solches Kapital nicht zur Verfügung, denn sie sind der alten Gleichung verpflichtet. Diese Lücke schließt Purpose Evergreen Capital (kurz: PEC). Als Beteiligungsgesellschaft stellt PEC geduldiges (deshalb die Bezeichnung „Evergreen“) Kapital zur Verfügung, um eine Umwandlung in Verantwortungseigentum zu ermöglichen. PEC verzichtet dabei auf Stimmrechte und erhält eine faire, aber nach oben begrenzte Beteiligung an der erwirtschafteten Rendite. Als Instrumente dienen beispielsweise stille Beteiligungen oder Genussrechte.

Purpose Evergreen Capital hilft mit werteorientierten Investments

30 Millionen Euro hat Purpose Evergreen Capital von werte- und nachhaltigkeitsbewussten Investorinnen und Investoren bereits akquiriert. Mehrere Unternehmen konnten mit Kapital aus diesem Topf in den vergangenen drei Jahren dabei unterstützt werden, Verantwortungseigentum umzusetzen. PEC arbeitet global: Ein aktuelles Beispiel aus Italien ist das Demeter- und Biohandelsunternehmen EcorNaturaSí, das größte italienische Bio-Nahrungsmittelunternehmen im dortigen Groß- und Einzelhandel.

In Deutschland steht Waschbär, eines der größten Öko-Versandhäuser Deutschlands, paradigmatisch für das, was mit Verantwortungseigentum möglich ist. Sogar das ARD-Mittagsmagazin berichtete im Juli 2021 über die Transformation zu Verantwortungseigentum, die durch PEC mitfinanziert wurde. Ernst Schütz, bis 2017 Eigentümer des Unternehmens, war es wichtig, passende Nachfolger zu finden, damit die Mission und der Zweck seines Unternehmens nicht gefährdet sind: „Meine Überlegung war immer, nicht jemanden zu suchen, der die finanziellen Möglichkeiten hat, das zu tun, sondern jemanden zu suchen, der die Fähigkeiten mitbringt, das zu tun und das in meinem Sinne weiterzuführen.“ Heute sind Matthias Wehrle und Katharina Hupfer Verantwortungseigentümer und Verantwortungseigentümerin von Waschbär. „Mich treibt die Idee eines nachhaltigen Wirtschaftens an – und deshalb hat mich die Idee fasziniert, auch die Unternehmensnachfolge nachhaltig zu gestalten“, erzählt Hupfer. Ziel des Ganzen sei, dass der „Sinn von Waschbär generationsübergreifend weiterleben kann und dass das Unternehmen nicht zum Spekulationsgut wird.“

Und Ernst Schütz hat mit Verantwortungseigentum und der Unterstützung von Purpose Evergreen Capital eine Nachfolgeregelung auf den Weg gebracht, mit der er mehr als zufrieden ist: „Ich finde, dass wir da eine tolle Lösung gefunden haben, und ich finde vor allem auch, dass es tolle Menschen sind, die Teil dieser Lösung geworden sind, weil das ist das Wichtigste.“

Die Nachfolgefrage frühzeitig als Herausforderung erkennen, sich mit Lösungsansätzen und Finanzierungsfragen auseinandersetzen – so wird das Unternehmen nicht in eine Krise geraten, wenn die eigenen Kinder und Erben sich für einen anderen Lebensentwurf als das Unternehmer-Dasein entscheiden.


Laura Höcherl

Laura Höcherl

Investmentpartnerin Purpose Evergreen Capital