10.01.2023
Lesezeit: 8 min

Nachfolge ohne Haftung und Stress

Auch nach dem Verkauf des eigenen Unternehmens will man ruhig schlafen und nicht an mögliche Haftungsrisiken denken. Moderne Versicherungsprodukte helfen dabei, den neuen Lebensabschnitt unbeschwert genießen zu können.

Unternehmensverkauf löst Haftung aus

Sein Unternehmen für eine hohe Summe verkaufen, keinerlei Haftung eingehen und nie wieder vom Käufer hören. Das wäre schön. Die Realität sieht allerdings anders aus. Der Käufer wird in der Regel umfangreiche Garantien und ggf. auch Freistellungen vom Verkäufer verlangen. Diese betreffen die Verfügungsmacht über die Anteile, die Richtigkeit der Jahresabschlüsse, wesentliche Verträge, Arbeitsverhältnisse, Steuern und vieles mehr. Häufig stellt sich bereits in den ersten Monaten nach Vollzug des Verkaufs heraus, dass bspw. der Jahresabschluss nicht korrekt war oder Steuerschulden bestehen. Der Verkäufer sieht sich dann mit hohen Forderungen der Käufer konfrontiert. Es folgen Schriftwechsel, Anwaltstermine und schlimmstenfalls eine jahrelange gerichtliche Auseinandersetzung. Am Ende müssen nicht selten große Teile des Verkaufspreises an den Käufer erstattet werden. Schlimm kann das auch sein, wenn der Verkäufer noch im verkauften Unternehmen tätig ist.

Vermeidung von Haftung und Stress durch die W&I-Versicherung

Der Verkäufer kann diese Unannehmlichkeiten allerdings vermeiden, wenn er dem Käufer aufgibt, eine (Warranty & Indemnity-) W&I-Versicherung abzuschließen. Die W&I-Versicherung wird heute in der Regel durch den Verkäufer vorbereitet und dann vom Käufer abgeschlossen. Sie wird mittlerweile bei fast allen größeren M&A-Transaktionen eingebunden und kommt auch bei kleineren Transaktionen mehr und mehr zum Einsatz. Das ist auch vernünftig, denn die W&I-Versicherung hat für Verkäufer und Käufer viele Vorteile. Verzögerungen oder Störungen im Verkaufsprozess sind nicht zu befürchten, ganz im Gegenteil: Die Versicherung fördert den Verkaufsprozess nachhaltig.

Hauptvorteil für den Verkäufer ist, dass sich der Käufer im Falle einer Garantieverletzung als Versicherungsnehmer mit einer Schadenmeldung direkt an den Versicherer wendet. Das Verhältnis zum Verkäufer muss der Käufer in einem solchen Schadensfall also nicht belasten, denn er ist nicht genötigt, einen Anspruch gegen ihn zu erheben oder einen teuren Haftpflichtprozess gegen ihn zu führen. Er erhält zudem einen solventen Schuldner in Form des Versicherers. In der Regel läuft die Anspruchserhebung und die Zahlung der Schadensumme ganz diskret zwischen Käufer und Versicherer ab. Der Verkäufer hat hier nichts zu befürchten. Auch ein Regress des Versicherers scheidet nämlich aus, wenn der Verkäufer nur fahrlässig oder grob fahrlässig die falsche Garantie abgab.

Im Gegenzug kann der Verkäufer seine Haftung gegenüber dem Käufer ganz ausschließen bzw. auf einen geringen Betrag reduzieren. So werden die Früchte des Lebenswerks gesichert und Stress vermieden.

Vermeidung des Escrow - Beseitigung von Deal-Killern

Strebt der Verkäufer gleich die Auszahlung des gesamten Kaufpreises an, kommt er an der W&I-Versicherung ebenfalls häufig nicht vorbei. Oftmals soll die Hinterlegung eines Teiles des Kaufpreises als Sicherheit, als sogenannter Escrow, vermieden werden. Dies gelingt mithilfe der Versicherung, zumal ja auch der Regress des Versicherers grundsätzlich nicht zu befürchten ist. So steht der gesamte Kaufpreis dem Verkäufer sofort zum Investment oder zur Ausschüttung zur Verfügung. Der Mehrertrag des möglichen Investments übertrifft die fällige Versicherungsprämie in der Regel bei weitem. So schafft die W&I-Versicherung eine klassische Win-win-Situation und finanziert sich praktisch von selbst.

In festgefahrenen Verhandlungssituationen ist die W&I-Versicherung ebenfalls sehr hilfreich. So kann der Verkäufer dem Käufer Garantien geben, die er ansonsten nicht oder nicht in diesem Umfang abgegeben hätte. Damit kann mancher Deal doch noch gerettet oder die Attraktivität des Unternehmens gesteigert werden. Damit kann man also die „Braut“ noch deutlich hübscher machen.

Da der Käufer selbst bei Angaben ins Blaue hinein oder Betrug durch den Verkäufer Versicherungsschutz genießt, wird dies die Verhandlungen zudem deutlich entspannen. Aber auch der Verkäufer profitiert nachhaltig, denn ein Regress des Versicherers gegen ihn erfolgt ja ebenfalls nur bei Vorsatz, Betrug oder Arglist.

Kosten der W&I-Versicherung

Üblicherweise werden zwischen 10 und 50 % des Transaktionswertes versichert. Bei kleinen Transaktionen bieten die Versicherer oft auch eine Absicherung zu 100 % an. Die Versicherungsprämien liegen zwischen 1 und 2 % der Deckungssumme, bei Immobilientransaktionen rund 50% darunter. Beispielsweise konnte bei einem Unternehmenswert von 6 Mio. Euro eine Deckungssumme von 6 Mio. Euro zu einer Netto-Prämie von 61.000 Euro abgeschlossen werden.

Die Versicherer stützen sich beim Underwriting nicht allein auf ihr eigenes Know-how, sondern ziehen externe Berater, wie Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, zur Prüfung hinzu. Die hier entstehenden Kosten in Höhe von durchschnittlich 20.000 Euro stellen die Versicherer in Form einer Underwriting Fee gesondert in Rechnung.

Die Schadenerfahrung zeigt, dass tatsächlich bei etwa 20 % aller versicherten Verkäufe früher oder später ein Schaden gemeldet wird. Häufig liegt die Schadensursache im Bereich der Steuern und der Jahresabschlüsse. Eine W&I-Versicherung ist also eine notwendige Absicherung, denn Fehler lassen sich nie - auch nicht durch die gründlichste Due Diligence - ausschließen.

Unverbindliche Angebote sind kostenlos

Natürlich kann auch der Käufer den Abschluss der Versicherung initiieren, aber die käuferseitige W&I-Versicherung wird heute in vielen Fällen durch den Verkäufer vorbereitet. Der Verkäufer nimmt dazu möglichst früh Kontakt zu einem spezialisierten Versicherungsmakler auf. Auf Grundlage der wichtigsten Parameter zur Transaktion, einem „Information Memorandum“ und einem SPA-Entwurf oder einem Entwurf des Garantiekataloges schreibt er den Versicherungswunsch unter den mehr als zwei Dutzend Anbietern aus. Der Makler erstellt dann innerhalb von ungefähr drei Tagen einen Report über die vorliegenden unverbindlichen Angebote (Non-Binding-Indication-Report/NBI-Report).

Underwriting - Die Due Diligence ist entscheidend

Sodann wird das vom Verkäufer angestoßene Versicherungsprojekt dem Käufer zur Weiterführung übergeben. Auf Grundlage des NBI-Reports wird ein Versicherer ausgewählt. Mit diesem Versicherer wird dann das Underwriting begonnen. Der ausgewählte Versicherer stützt sich dabei auf die Due Diligence des Käufers, deswegen ist der Grundsatz zu beachten, dass nur das versichert werden kann, was Gegenstand der Due Diligence war. Eine W&I-Versicherung ersetzt also nicht die Due Diligence, vielmehr ist eine vollumfängliche Due Diligence die Voraussetzung für einen vollumfänglichen Versicherungsschutz. Dennoch gibt es vereinzelt Versicherer, die bereit sind, eine fehlende Due Diligence durch eine eigene Due Diligence zu ersetzen. Dies ist aber bisher noch die Ausnahme.

Der Versicherer erhält also alle DD-Reports und außerdem Zugang zum Datenraum. Möglich ist aber auch das Underwriting auf Grundlage einer Vendor Due Diligence. Der Verkäufer erhält dann bereits eine fertige Police, die er dem Käufer mit Hinweisen des Versicherers zur durchzuführenden Buyer Due Diligence übergibt.

Bekannte Risiken sind auch versicherbar - Steuern, Rechtsstreitigkeiten, Umwelt

Sind bekannte Risiken beispielsweise aus schwebenden Rechtsstreitigkeiten über geistiges Eigentum, Beihilfen, steuerliche Themen o.ä. vorhanden, lassen sich auch diese versichern. Mit einer Contingent Risk Insurance, also bspw. einer Tax Liability Insurance oder Litigation Buyout Insurance lassen sich solche bekannten Risiken auf Versicherer übertragen. Damit muss der Käufer nicht befürchten, dass das von ihm erworbene Unternehmen ihm schwere unerwünschte Lasten aufbürdet. Solche Versicherungslösungen sind natürlich auch im Interesse des Verkäufers, der selbstverständlich auch jegliche eigene Haftung vermeiden will. Ähnliches gilt bei Umweltrisiken. Auch hier gibt es spezielle Policen, die diverse Umweltrisiken versichern können. Durch die Tax Liability Insurance lassen sich auch die häufig unsicheren und langwierigen verbindlichen Auskünfte durch die Finanzämter vermeiden. Sie stiftet also bspw. auch bei Umstrukturierungen unabhängig von M&A-Transaktionen Mehrwert.

"Die Schadenerfahrung zeigt, dass bei etwa 20 % aller versicherten Verkäufe früher oder später ein Schaden gemeldet wird."

Dr. iur. Andreas Wiedemann, Bankkaufmann und Versicherungsfachmann

Konzerngarantien versichern

Mit der Parent Company Guarantees (PCG) Insurance können Konzerngarantien versichert werden. Dies kann im Bereich von Carve-outs oder bei der Veräußerung von Tochtergesellschaften Bedeutung haben, wenn Kunden bei Auftragsvergabe beispielsweise eine Konzerngarantie der Konzernmutter verlangt haben. Im Falle der Veräußerung stellt sich die Frage, ob der Käufer bereit und in der Lage ist, diese Konzerngarantien zu übernehmen, beziehungsweise auch, ob die Kunden bereit sind, einen neuen Garantiegeber zu akzeptieren.

Hier hilft dieses Versicherungsprodukt. Der Versicherer versichert die Konzernmutter/Verkäuferin dagegen, dass sie aus den Konzerngarantien in Anspruch genommen wird. Es findet also kein Wechsel des Garantiegebers statt. Ein weiterer Vorteil gegenüber den anderen Möglichkeiten ist, dass dies außerhalb der Bilanz und ohne Inanspruchnahme der Kreditlimite möglich ist.

Kein Unternehmensverkauf ohne Prüfung der Versicherbarkeit

Transaktionsversicherungen sind mittlerweile so etablierte Instrumente des Risikomanagements, dass sie nicht mehr ignoriert werden können. Die Beteiligten sollten bei Transaktionen stets die Versicherbarkeit prüfen. Dies gilt umso mehr, weil ansonsten, sofern später Schäden eintreten, das Management (der Käuferseite) in Anspruch genommen werden könnte, weil es eine Prüfung der Versicherbarkeit unterließ.

Fazit

Die W&I-Versicherung ist das Mittel der Wahl zur Verlagerung der Haftungsrisiken bei Transaktionen im Unternehmens- und Immobiliensektor. Mit Ihr lassen sich Transaktionsrisiken für den Verkäufer, den Käufer bzw. das jeweilige Unternehmensmanagement auf die starken Schultern eines Versicherers übertragen. Ergänzend helfen Contingent Risk Insurances dabei, auch bekannte Risiken zu versichern.

Insgesamt handelt es sich bei Versicherungen im Transaktionsumfeld um Spezialprodukte, die ausschließlich von spezialisierten Versicherungsmaklern vermittelt werden. Die Installation solcher Policen erfordert ganz spezielles Know-How. Auch die Versicherer, die diese Produkte anbieten, sind in der Regel Spezial-Anbieter.


Dr. iur. Andreas Wolfgang Wiedemann

Dr. iur. Andreas Wolfgang Wiedemann

Bankkaufmann und Versicherungsfachmann

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