05.11.2020
Lesezeit: 10 min

Probleme bei der Nachfolge in Familienunternehmen

Einführung

Wie fühlt es sich an, wenn man keinen Nachfolger in der Familie findet? Und wie, wenn man mit 17 versprechen muss, das Unternehmen zu übernehmen?

Rainer Schwarz, Nachfolgeberater bei der RS-NachfolgeBeratung, kennt beide Seiten und weiß, vor welchen Herausforderungen und Unsicherheiten die jeweilige Partei steht. Im Interview mit CARL betont er, das Wichtigste sei, sich früh genug mit möglichen Lösungswegen auseinanderzusetzen.

Um sowohl Probleme als auch Chancen besonders hervorzuheben, ist das Interview in zwei separate Beiträge unterteilt.

Der erste Teil geht vor allem auf Probleme bei der internen Nachfolge von Familienunternehmen ein und zeigt, welche Sorgen sowohl Unternehmer als auch potentielle Nachfolger haben.

Dabei werden konkret die folgenden Fragen beantwortet:

  1. Tauchen bei familieninternen Nachfolgen immer wieder dieselben Probleme auf?
  2. Welches sind generell Schlüsselprobleme bei der Nachfolge?
  3. Ab wann ist es eigentlich schon zu spät für eine interne Lösung des Nachfolgeproblems?
  4. Was belastet potentielle Nachfolger?
  5. Gibt es bei allen Generationen ähnliche Ängste?

Der zweite Teil des Interviews dagegen beschäftigt sich vor allem mit möglichen Lösungen für die zuvor beschriebenen Probleme und zeigt potentielle Chancen für alle Beteiligten auf.

Lesen Sie hier den zweiten Teil des spannenden Interviews mit unserem Partnerberater zum Thema Unternehmensnachfolge - mit Einblicken und Erfahrungen aus erster Hand.

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Das Interview - Teil Eins

Rainer Schwarz hat nicht nur durch seine Arbeit, sondern auch durch seine eigene, familieninterne Unternehmensnachfolge viele Erfahrungen im Bereich der Nachfolgeregelung gesammelt. CARL hat ihn im Interview zu den Besonderheiten der Nachfolge in Familienunternehmen befragt.

Herr Schwarz, danke, dass Sie sich Zeit genommen haben. Starten wir direkt mit der ersten Frage.

1. Tauchen bei familieninternen Nachfolgen immer wieder dieselben Probleme auf?

So einfach kann man das gar nicht beantworten, weil jeder Fall anders ist. Schließlich reden wir von Familienunternehmen und da jede Familie anders ist, ist auch jeder Fall anders. Ich bin allerdings häufig bei Treffen, bei denen regionale und überregionale Jung-Familienunternehmer zusammenkommen. Und wenn man sich dann austauscht, dann haben im Grunde genommen alle ähnlich gelagerte Problemthemen. Diese sind jedoch immer anders ausgeprägt.

Was sind das für Probleme?

Ich glaube die größte Herausforderung liegt darin, dass die Familie einerseits das größte Potential ist, das ein Familienunternehmen hat. Andererseits ist sie aber auch oft der Ausgangspunkt der größten Konflikte. Klar ist: Wenn die Familienmitglieder für das Unternehmen brennen, sie also nicht nur Familie mit einem Unternehmen, sondern Unternehmerfamilie sind, dann ist das Unternehmen oft unschlagbar in seiner Nische. Genau hier ist jedoch auch der Haken: Denn bereits in der zweiten Generation wird es mit der Identifikation mit dem Unternehmen schon schwieriger.

Wie kommt das?

Die nachfolgenden Generationen sind von der Gründungsidee einfach weiter weg. Die Begeisterung für das, was das Familienunternehmen ausmacht, also seine Wertebasis, seine Ziele usw. ist in der zweiten Generation nicht mehr so vorhanden und in der dritten Generation vermutlich noch weniger. Die Familie wird größer und jede nachfolgende Generation ist von der Gründungsidee weiter entfernt. Da kommt dann die Frage auf: Wie bekomme ich die größer werdende Familie an einen Tisch und so eine erfolgreiche Fortführung hin?

2. Welches sind generell Schlüsselprobleme bei der Nachfolge?

Auf jeden Fall ist es fehlende Begeisterung. Ist sie nicht vorhanden, fehlt die Identifikation mit dem Unternehmen. Die Entfremdung vom Unternehmen, die mit jeder weiteren Generation zunimmt, kann am Ende dazu führen, dass aus der Unternehmerfamilie eine reine Investorengemeinschaft wird. Die Ausschüttungspolitik steht dann im Fokus, die mit zunehmender Anzahl an Familienmitgliedern immer schwieriger wird. Es sind also Nachfolger gesucht, die einerseits den Wertekern des Unternehmens im Sinne des Gründers verstanden haben, aber gleichzeitig in Ihrer Persönlichkeit stark genug sind, das Unternehmen – auch möglicherweise gegen den Widerstand der Familie oder der vorhergehenden Generation – mit eigenen Ideen weiter zu entwickeln.

Das finden Sie besonders wichtig?

Definitiv. Denn die vermeintlich „angenehmen” Nachfolger, die auf ihre „Eltern hören“ und deshalb gerne bevorzugt werden, sind oft nicht aus dem Holz geschnitzt, ein Unternehmen zu führen und weiterzuentwickeln. Das ist zwar konfliktvermeidend und wahrt den Familienfrieden – zunächst – aber haben sie auch die Stärke und Persönlichkeit das Unternehmen erfolgreich fortzuführen? Ein Unternehmen erfolgreich zu führen, bedeutet auch Dinge neu zu machen. Selbst wenn das heißt, dass man mit der starken Gründerpersönlichkeit, also dem Vater, der Mutter oder beiden Elternteilen Streit bekommen könnte.

nachfolge familienunternehmen

3. Ab wann ist es eigentlich schon zu spät für eine interne Lösung des Nachfolgeproblems?

Man kann es sich so vorstellen, dass ein Familienunternehmen wie die jeweilige Inhaber-Generation selbst einen Lebenszyklus durchläuft, ähnlich einem Produkt. Diese Kurven verlaufen fast deckungsgleich. Da ist die Gründungsidee, das Wachstum, die Reifephase und dann ist, wenn die nächste Generation nicht nachrückt, irgendwann „Feierabend“. Das bedeutet, wenn sie nicht spätestens in der Reifephase eine erfolgreiche Unternehmensfortführung, egal welcher Art, etabliert oder zumindest in Planung haben, dann kann es schon zu spät sein. Und mit Reifephase meine ich die des Unternehmens, aber auch die der jeweiligen Inhaber-Führungs-Generation selbst. Im Allgemeinen kann man sagen, es wird zumindest nicht einfacher, wenn zu lange gewartet wird.

Vermutlich wird in vielen Fällen zu lange gewartet, richtig?

Ich sehe natürlich nur die Problemfälle. Meistens ist es so, dass die Klienten dann kommen, wenn es eigentlich schon 5 vor 12 ist. Manche kommen sogar erst dann, wenn das Unternehmen gar nicht mehr handlungs- oder übergabefähig ist. Oder wenn es gar nicht mehr die Ertragskraft hat, um irgendwie am Markt wettbewerbsfähig zu sein. Es gibt aber natürlich auch Beispiele, in denen alles passt: Der Nachfolger, die Einstellung der Familie zum Unternehmen und der Zeitpunkt. Prominente Beispiele dafür sind Sixt oder Engelbert Strauss. Aber die Zahlen zeigen, dass dies eben eher die Seltenheit ist, schließlich schaffen es nur 50% der Familienunternehmen in die zweite Generation und nur 20% davon sind dann auch erfolgreich.

4. Was belastet potentielle Nachfolger?

Ich glaube, und ich sage das aus eigener gelebter Erfahrung, viele potentielle Nachfolger begreifen die “Lebensaufgabe Nachfolge” in jungem Alter noch gar nicht wirklich. Sie werden auf diese Thematik zu wenig nachhaltig und mit wenig Konzept vorbereitet. Und wenn die Nachfolge dann Thema wird und Richtungsentscheidungen, zum Beispiel in Bezug auf die Studien- oder Ausbildungswahl erwartet werden, fällt die Entscheidung unheimlich schwer. Eine Zusage, nur um die Eltern nicht zu enttäuschen, ist sicher nicht die beste Lösung, denn das Bewusstsein, was diese Entscheidung dann für das weitere Leben bedeutet, ist in diesem Moment noch gar nicht vorhanden. Mir war das persönlich mit 17 Jahren, als ich mit dem Thema Nachfolge konfrontiert wurde, nicht bewusst. Da hatte ich gänzlich andere Pläne und wollte in dieser Lebensphase eher Abstand zum Elternhaus.

Es sind also zwei unterschiedliche Erwartungshaltungen, die aufeinander prallen?

Absolut, das ist bei diesem Thema sehr oft der Fall. Darüber hinaus denkt das Umfeld, insbesondere auch das familiäre, dass die Selektion zur Nachfolge ein Privileg ist. Der Sohn oder die Tochter, die das übernehmen soll, denkt aber möglicherweise: “Ich hab die ganze Last, alle Erwartungen zu erfüllen. Wehe das klappt dann nicht.” Was ist da größer? Das Privileg oder die Last?

Das ist tatsächlich ein neuer Blickwinkel, den Sie da eröffnen.

Ein weiterer Punkt ist natürlich auch, dass die nachfolgende Generation nicht nur aus Einzelkindern besteht, sondern dass es da auch noch Geschwister geben kann. Wie regelt man das dann am besten? Klar, wenn die Substanz ausreicht, kann man die Firmenanteile nur einem Nachfolger geben und die Geschwister werden aus dem Privatvermögen abgefunden, um so einen Ausgleich zu schaffen. Aber was ist, wenn das Unternehmen zu groß ist, um mit dem Privatvermögen einen Eins-zu-Eins Ausgleich zu schaffen? Dann muss das Unternehmen aufgeteilt werden, um keinen Streit zwischen den Kindern zu bekommen und das irgendwie gerecht zu machen.

Was aber, wenn dadurch die Interessen im Gesellschafterkreis sehr unterschiedlich werden?

Es müssen im Falle eines großen Gesellschafterkreises Regelungen etabliert werden, die dafür sorgen, das Unternehmen handlungsfähig zu halten. Das gilt natürlich auch für die Führung. Hier gibt es alle möglichen Varianten vom Geschäftsführer-Gesellschafter mit einer Stimmenmehrheit, über eine komplementär funktionierende Doppelspitze bis hin zur Fremdgeschäftsführung. Alles ist im Grunde möglich und erlaubt, wenn es darum geht das Unternehmen erfolgreich fortzuführen.

Um das Unternehmen dann ohne Streitereien führen zu können?

Ja! Streit ist nicht zielführend, weil er oft auf der persönlichen Ebene und unsachlich geführt wird. Der konstruktive Diskurs als eine Form der „Streitkultur“ dagegen ist sehr wichtig. Er bringt die Dinge insbesondere auch zwischen den Generationen ans Licht und setzt Lösungsprozesse in Gang. Denn wenn sich die folgende Generation dazu entschließt, das Unternehmen fortzuführen, dann kommt man immer wieder an den Punkt, an dem man „streiten“ muss. Und dann ist das alles eine Frage der Charakterstärke. Dass die Gründer einen starken Charakter haben und große Persönlichkeiten sind, das ist klar, denn sie haben es ja schon unter Beweis gestellt. Und die Nachfolger? Sie müssen unter Umständen nun Vieles von dem, was da geschaffen wurde, in Frage stellen. Solche Diskussionen müssen dann geführt werden. Sie sind essentiell aber nicht jeder Nachfolger übersteht das. Da braucht man schon ein breites Kreuz.

5. Gibt es bei allen Generationen ähnliche Ängste?

Klar. Es ist nicht nur die Sorge der Nachfolger, etwas zu übernehmen, von dem sie nicht wissen, wie groß es wirklich ist. Es ist auch die Schwierigkeit der Gründergeneration loszulassen. Wenn ein Nachfolger aber aus der Familie kommt, dann hat der Gründer neben der eben beschriebenen Ängste zumindest ein Stück weit das Gefühl, dass wenigstens immer noch seine Gene im Unternehmen sind. Das erleichtert den Prozess enorm.

Ist das überhaupt zu lösen?

Ja und nein. Der Gründer möchte ja, dass der Nachfolger in seine Fußstapfen tritt. Meiner Meinung nach sollte der Nachfolger aber eine zweite Spur machen - eine neue Spur neben der des Gründers. Die läuft dann eine Zeit lang parallel, bis der Nachfolger immer erfahrener wird und sich eine neue Spur formt, die in die Zukunft läuft.

Das ist aber vermutlich auch nicht immer so einfach umzusetzen?

Das stimmt allerdings! Denn in dieser multikontextuellen Kommunikation werden immer wieder die Rollen gewechselt. Der ehemalige Geschäftsführer, der jetzt vielleicht noch Berater ist, schlüpft häufig wieder in die Rolle des Vaters und sagt seinem Sohn oder seiner Tochter, dass eine bestimmte Thematik normalerweise im Unternehmen so nicht gehandhabt werde. Dann ist die Fachdebatte beendet und die Familiendebatte beginnt. Das kann zu Haus natürlich genauso passieren. Auf einmal sitzt dann nicht mehr der Vater am Tisch, sondern der Geschäftsführer. Das sind alles Dinge, die sie erstmal überstehen müssen. Und zwar in beiden Richtungen.

Fazit

Bei allen Problemen, Konflikten und Sorgen, die eine familieninterne Nachfolge mit sich bringt, darf eines nicht vergessen werden. Im Vordergrund sollte immer stehen, dass das Familienvermögen geschützt wird. Das ist allerdings nur möglich, wenn das Unternehmen handlungsfähig bleibt. Dazu ist es essentiell, dass im besten Interesse des Unternehmens gehandelt wird und sowohl der (ehemalige) Unternehmer als auch der (potentielle) Nachfolger anstreben, bestehende Konflikte zu lösen.

Ansonsten bleiben nur Alternativmodelle, wie eine Fremdgeschäftsführung, die auch eine Lösung sein kann. Aber auch der Verkauf darf dann kein Tabu sein. In diesem Fall ist CARL ein hervorragender Partner.

Im zweiten Teil des Interviews erfahren Sie mehr zu möglichen Chancen, die familieninterne Nachfolge trotz Problemen umzusetzen, wer dafür Ihr Ansprechpartner sein und sie mit einer fundierten Nachfolgeberatung unterstützen kann sowie welche anderen Optionen außer der internen Nachfolge noch existieren. Mehr dazu hier.


Pascal Stichler

Pascal Stichler

Gründer und Beirat

"Das Entscheidende bei der Nachfolge ist, dass das Familienvermögen geschützt wird."

-Rainer Schwarz

Nachfolgeberater der RS-NachfolgeBeratung